Es gelten ab sofort strengere Vorschriften für Ferienwohnungen im Tessin: Private Vermieter dürfen ihre Unterkünfte nur noch für maximal 90 Tage vermieten. Diese neuen Regeln, die schweizweit am härtesten sind, wurden von anderen touristischen Hochburgen ebenfalls in Betracht gezogen.
Einige Deutschschweizer, die über das Pfingstwochenende ins Tessin fahren, fühlen sich möglicherweise etwas besorgt. Es sind jedoch nicht die Wetteraussichten, die die Ferienwohnungsbesitzer beunruhigen, sondern eine Information, die sie kürzlich von ihrer Agentur oder Online-Plattform erhalten haben, über die sie ihre Wohnung vermieten.
Oliver Keller, Vizepräsident des Vereins der Vermieter von Ferienwohnungen und -häusern – ACAV Ticino und Betreiber von Casafile, dem größten Buchungsportal für Ferienwohnungen im Tessin, hat die schlechte Nachricht überbracht. Er stellt fest, dass die Unsicherheit derzeit enorm ist, aber sie versuchen, ihre Kunden, die ihre Immobilien über ihr Portal vermieten, so gut wie möglich auf dem Laufenden zu halten.
Die Ursache für die Aufregung liegt beim Tessiner Staatsrat. Ende November 2022 hat die Regierung eine Änderung der Verordnung zum Baugesetz beschlossen, die weitreichende Auswirkungen hat. Gemäß der neuen Bestimmung wird jeder, der seine Wohnung oder sein Haus für mehr als 90 Tage pro Kalenderjahr online vermieten möchte, als gewerblicher Vermieter eingestuft.
Die Wohnungseigentümer befürchten eine Wertminderung ihrer Immobilien. Um eine Genehmigung zu erhalten, müssen die Eigentümer bei der örtlichen Gemeinde einen Antrag auf Umnutzung stellen. Die Zeit drängt, denn die Regelung, inoffiziell als “Lex Airbnb” bezeichnet, wurde bereits am 2. Dezember 2022 in Kraft gesetzt. Sie betrifft Wohnungen mit weniger als vier Betten.
Es ist schwer abzuschätzen, wie viele Zweitwohnungsbesitzer bisher ihre Immobilien im Tessin für mehr als drei Monate vermietet haben. Etwa ein Viertel aller Übernachtungen wurde 2021 in privaten Unterkünften abgewickelt, und der Markt wächst weiter. Es gibt jedoch viele Zweitwohnungsbesitzer, die auf diese Weise ihre Immobilien finanzieren. Allein in Lugano haben sich bis Anfang Februar etwa 150 Vermieter als gewerbliche Vermieter registriert, wie ein Vertreter der Stadt gegenüber SRF bestätigt hat.
Keller befürchtet jedoch, dass aufgrund der neuen Hürden viele Zweitwohnungsbesitzer sich auf die 90 Tage beschränken oder ihre Immobilien überhaupt nicht mehr auf Online-Plattformen anbieten werden. Dies hätte massive Auswirkungen auf den Tourismus. “Wer in Zukunft eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus im Tessin mieten möchte, wird ein deutlich kleineres Angebot vorfinden”, erklärt der Präsident des Vereins der Vermieter von Ferienhäusern und -wohnungen im Tessin.
Wenn ein Besitzer seine Ferienwohnung mehr als 90 Tage pro Jahr vermieten möchte, muss er dies als Gewerbe anmelden. Dies erfordert die Einreichung eines Baugesuchs. Infolgedessen riskiert der Besitzer, bei einem späteren Verkauf oder der Aufgabe seiner gewerblichen Tätigkeit einen Verlust hinnehmen zu müssen. In vielen Gemeinden, darunter auch touristischen Hochburgen wie Ascona, Muralto oder Orselina, liegt der Anteil der Zweitwohnungen bereits über der erlaubten Marke von 20 Prozent. Wer dort seine Wohnung umnutzt, riskiert, dass er nicht in den ursprünglichen Status zurückkehren kann. “Eine Erstwohnung hat auf dem Immobilienmarkt deutlich weniger Wert als eine Zweitwohnung”, betont Keller.
Da die Verschärfung des Baugesetzes von einem Tag auf den anderen in Kraft trat, ist derzeit noch vieles unklar. Während einige Gemeinden bereits die Einhaltung der neuen Vorschriften kontrollieren, warten andere noch ab. Eines ist jedoch bereits jetzt klar: Die Vermieter von Ferienunterkünften werden härter angegangen.
Seit dem 1. Februar 2022 gilt bereits das neue Tourismusgesetz. Wer eine Ferienwohnung über eine Onlineplattform oder privat vermietet, muss sich registrieren lassen und eine Identifikationsnummer erhalten. Dadurch will der Kanton vor allem sicherstellen, dass Buchungsplattformen wie Airbnb, Interhome oder E-Domizil die Kurtaxen abführen. Allerdings haben die neuen Regelungen auch für Private teilweise unerwartete Folgen, wie sich nun zeigt.
Die Einführung der 90-Tage-Regel im Tessin ist bahnbrechend, da auch andere touristische Hochburgen Verschärfungen für die Vermietung durch spezialisierte Unternehmen und private Vermieter in Erwägung ziehen. Allerdings gehen sie dabei weniger überstürzt vor.
Die Bevölkerung der Stadt Luzern hat beispielsweise im März letzten Jahres die Volksinitiative “Wohnraum schützen – Airbnb regulieren” mit klarer Mehrheit angenommen. Zukünftig dürfen Wohnungen nur noch für maximal 90 Tage pro Jahr an Personen vermietet werden, die nur für kurze Zeit in der Stadt sind. Der Druck der Bevölkerung, die die zunehmende Kurzzeitvermietung für das knapper werdende Wohnungsangebot verantwortlich macht, scheint erheblich zu sein. Ein weniger weitreichender Gegenvorschlag der Luzerner Stadtregierung hatte bei der Abstimmung keine Chance.
Auch in Genf gibt es eine sogenannte Airbnb-Regelung. Dort dürfen Wohnungen ebenfalls maximal 90 Tage vermietet werden. In der Stadt Bern haben sich die Bürger bereits im Frühjahr mit einer Zustimmung von 81,2 Prozent für eine entsprechende Teilrevision der städtischen Bauordnung ausgesprochen. Die Bestimmungen sind sowohl in Bern als auch in Zürich noch nicht umgesetzt. Die Unruhe im Tessin zeigt jedoch, dass dies für private Eigentümer wohl nicht ohne Nebenwirkungen sein wird.
Aus Sicht von Oliver Keller und der von ihm vertretenen Vermieter ist die 90-Tage-Frist willkürlich festgelegt. “Wir wissen nicht, wie die Tessiner Regierung zu dieser Zahl gekommen ist. Damit die Vermietung